Illustration: Te I Um

Was uns prägt

Talent ist weltweit gleich verteilt – Chancen nicht. Der französische Soziologe Pierre Bourdieu zeigte mit seiner Kapitaltheorie, warum solche Unterschiede unsere Chancen prägen und oft über Generationen hinweg fortwirken.

Erklär doch mal …

23.08.2024

Manche Kinder wachsen in ganzen Bibliotheken an Wissen auf. Führen am Küchentisch Gespräche über Politik oder Kunst. Haben Eltern, die bei Hausaufgaben oder beim Bewerbungsschreiben helfen. Andere müssen sich ihre Bildung selbst zusammensuchen. Und oft entscheidet sich genau hier, wie leicht oder schwer jemand später durchs Leben geht.

Wer sich mit Klassismus und Ungleichheit beschäftigt, der kommt an einer Person nicht vorbei: Pierre Bourdieu. Der französische Soziologe hat erforscht, wie soziale Ungleichheit entsteht – und warum sie über Generationen hinweg bestehen bleibt. Bourdieu war überzeugt, dass es nicht allein am Einkommen oder Vermögen liegt, dass Menschen unterschiedliche Chancen haben. Und er wollte verstehen, welche unsichtbaren Faktoren hier zusammenwirken.

Dafür entwickelte er seine Kapitaltheorie. Neben dem ökonomischen Kapital – also Geld, Besitz, materieller Sicherheit – beschreibt er kulturelles Kapital: Schulabschlüsse, Sprachverhalten, den Umgang mit Wissen und Kunst und soziales Kapital: Netzwerke, Kontakte, das Gefühl (und das Know-how), dazuzugehören. Wer etwa Eltern hat, die gut vernetzt sind oder sich im Bildungssystem sicher bewegen, nimmt vieles als selbstverständlich mit, was anderen fehlt.

Bourdieus' Kapitaltheorie in zwei Sätzen: Pierre Bourdieu unterscheidet drei Formen von Kapital:
ökonomisches, kulturelles und soziales Kapital. Sie alle beeinflussen, welche Chancen Menschen im Leben haben – oft unsichtbar, aber wirksam.

Bourdieus' Theorie ist bis heute ein wichtiges Werkzeug, um zu verstehen, wie Chancen verteilt – oder eben vorenthalten – werden. Und sie erklärt: Was ein Mensch mitbekommt, lässt sich nicht auf Zahlen oder Abschlüsse reduzieren. Es geht auch um Zugehörigkeit, um Selbstverständnis und darum, welche Türen manchen Menschen offen stehen, bevor sie überhaupt angeklopft haben.